Es war einer jener
Tage, an denen man nicht einmal einen Hund vor die Türe jagt. Seit Stunden
regnete es wie aus Kübeln. Weil ich grundsätzlich keine Regenschirme benutze
und der Parkplatz eine halbe Ewigkeit entfernt war, betrat ich die Bank völlig
durchnässt. In meinen Schuhen stand das Wasser und überall wo ich ging, hinterließ
ich eine nasse Spur. Das Fräulein hinter der Scheibe schaute zwar ein bisschen
seltsam, als ich ihr gegenüber stand, doch sie erledigte meine Wünsche zügig
und zu meiner Zufriedenheit. Zum Abschied warf ich ihr jenen verwunderten Blick
zu, mit dem sie mich Anfangs gemustert hatte.
Für einen Augenblick begab ich mich etwas ins Abseits, um meine Haare wieder
neu zu stylen, den der Regen hatte ihnen übel mitgespielt. In diesem Moment
betrat eine Gestalt die Bank, die mir sofort merkwürdig vorkam. Es war nicht
unbedingt die kleine, kugelähnliche Körperform, auch nicht die kniehohen Gummistiefel.
Schließlich regnete es und somit war dieser Mensch bestens gerüstet. Nein,
es war vielmehr die Tatsache, daß er eine HSV Mütze trug. Wer trägt schon HSV
Mützen, schoss es mir durch den Kopf. Immerhin hat dieser schon bessere Zeiten
gesehen.
Meine Theorie, daß mit diesem Typen etwas nicht stimmen konnte, wurde in
dem Augenblick bestätigt, als er eine Pistole unter seinem Mantel hervorzog.
"Das ist ein Überfall, alles auf den Boden", brüllte er. Ein kurzer
Aufschrei der Menge und alle lagen flach. Außer ihm - und mir. Ich stand immer
noch im Abseits und suchte vorsichtig hinter einem Pfeiler Deckung. Mit vorgestreckter
Pistole ging er auf einen Schalter zu und brüllte mit einem Zittern in der
Stimme: "Los, voll machen!" Er schob einen blauen Müllsack unter
der Scheibe hindurch. Der Filialleiter erhob sich langsam, nervös rückte er
seine Brille zurecht. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Sein Blick glich
dem eines Kaninchens kurz vor dem Schlachten. Irgendwo hustete jemand, der
Räuber drehte sich blitzartig um und fuchtelte wild mit der Pistole um sich.
Immer noch lagen alle auf dem Boden, während ich die Situation hinter dem Pfeiler
stehend überschaute. Beruhigt drehte sich der Gauner wieder zum Filialleiter
um und forderte ihn mit brutaler Stimme erneut auf: "Vollmachen hab´ ich
gesagt, wird´s bald!" Ich spürte, daß die ganze Angelegenheit auch an
seinen Nerven nicht spurlos vorbeiging. Der Filialleiter holte langsam das
Geld hervor und packte es in den Müllsack. Allmählich schien er seinen Mut
zurück zu gewinnen, denn ich erschrak förmlich, als er mit ruhiger Stimme sagte:
"Das Hartgeld wollen Sie sicher nicht, sonst haben Sie ja so schwer zu
schleppen!" Der Räuber schien wie vor den Kopf gestoßen, überlegte kurz
und stimmte dann zu. Das war mein Zeichen. Eigentlich konnte ich den Filialleiter
noch nie leiden, doch in dieser Situation, so dachte ich mir, wäre es angebracht,
ihm beizustehen.
Im Nachhinein kommt mir meine Aktion verrückt vor, doch in diesem Augenblick
handelte ich eiskalt. Suchend ließ ich meine Augen durch den Raum schweifen.
In einer Ecke, nicht weit von mir, stand ein Tisch mit Spielzeug. Eigentlich
war dieser dazu gedacht, daß die Kinder sich beschäftigen können, solange Mami
in der Schlange vor dem Schalter ansteht. Kaum zu glauben, zu den Utensilien
zählte auch eine Spielzeugpistole. Sie war zwar ganz aus Plastik, doch dem
Original so täuschend ähnlich, daß ich sie noch aus zwei Metern für echt gehalten
hätte.
Der Banker war immer noch beim Geld einpacken, überwacht von einer abschußbereiten
Pistole. Währenddessen pirschte ich mich auf Zehenspitzen an das "Spielzeug"
heran. Von nun an ging alles blitzschnell. Mit ein paar riesigen Schritten
stand ich direkt hinter dem Räuber und hielt ihm den Lauf meiner Pistole in
den Rücken. Unter meinen Worten: "Das Spiel ist aus Freundchen, Waffe
fallen lassen und hinlegen!" zuckte er förmlich zusammen. Wie befohlen
fiel die Waffe zu Boden, wohin ihr der Räuber mit versteinerter Miene schnurstracks
folgte. Triumphierend setzte ich mich auf seinen Rücken und hielt ihm die Pistole
ins Genick. Mittlerweile hatten sich alle anderen wieder vom Boden erhoben.
Sie stellten sich in einer Reihe auf, marschierten nacheinander an mir vorbei
und schüttelten mir die freie Hand.
Die inzwischen alarmierte Polizei kam schleunigst herbei geeilt und nahm
mir den Ganoven ab. Dann gab ich noch den ganzen Tathergang aus meiner Sicht
zu Protokoll und ließ mich von der Menge feiern. Bevor sie den Schauplatz wieder
verließen, zog mich einer der Polizisten zur Seite und meinte: "Ich will
Ihnen Ihre Heldentat sicher nicht vermiesen, aber der Räuber hatte auch nur
eine Spielzeugpistole!"
Marcus Kerschbaum |